Zeit der Fische

Deutschland 2005
Regie: Steffi Kammermeier
Drehbuch: Steffi Kammermeier
Produzent: Stefan Fricke CINEMA 88
Kamera: Christian Reitz
Schnitt: Silva Binder
Musik: Rudolf Gregor Knabl
Ausstattung: Anette Herrmann
Szenenbild: Barbara Becker
Kostümbild: Rose Koller
Maske: Brigitte Raupach-Goeckel
Ton: Georg Krautheim
Produktionsleitung: Thomas Langhoff
Aufnahmeleitung: Jeanette Krinner, Frank Fuchs
Darsteller: Johann Schuler, Carin C. Tietze, Winfried Frey,
Julia Gschnitzer, Lilly Forgàch, Lilian Naumann, Heinz Josef Braun,
Andreas Borcherding, Maria Schiefer, Heide Ackermann, Fred Stillkrauth,
Werner Rom, Johanna Bittenbinder, Christiane Blumhoff,
Teresa Ragutin, Mirela Ragutin, Susanne von Medvey, Wilhelm Beck u.a.
Eine Produktion der Cinema 88 Film- und Fernsehproduktion GmbH München für den Bayerischen Rundfunk
90 Minuten, Farbe

Am Drehort

Am Drehort

Manchmal fühlt Martin sich wie ein Fisch, der am Seegrund schwimmt und nur darauf wartet, bis ihn einer ans Licht holt…
Für die Bewohner der Fraueninsel im malerischen Chiemsee ist Martin (Johann Schuler) nur der „Sternfischer“. Seit der schweigsame, doch beliebte Fischer von seiner Frau Jule (Lilly Forgách) verlassen wurde, führt er seinen kleinen Betrieb alleine. Nur seine alte Mutter Anna (Julia Gschnitzer) hilft ihm, bis eines Tages Richard (Winfried Frey), Martins jüngerer Bruder nach jahrelanger Abwesenheit auftaucht. Dieser hat die Existenz seiner eigenen Firma leichtfertig aufs Spiel gesetzt und sucht nun bei der Familie einen sicheren Hafen.
Doch Martin hat Schwierigkeiten, den Bruder zu akzeptieren. Nicht nur, dass er alles besser zu wissen glaubt, auch Richards Freundschaft zu einer attraktiven Restauratorin, die vorübergehend auf der Herreninsel arbeitet, ist Martin suspekt. Er selbst hat sich nämlich in die Welt gewandte Susanne (Carin C. Tietze) verliebt und hadert mit sich, dass er nie die rechten Worte zu finden vermag. Dabei macht Susanne es ihm beinahe leicht. Sie selbst sehnt sich, nach langen Jahren des Herumreisens, nach einem, der sie festhält. Als klar wird, dass die Liebe zwischen ihnen beiden unausweichlich ist, will Susanne ein klares Zeichen. Doch Martin scheitert an seiner Wortlosigkeit, auch wenn Benediktinernonne Frau Ignatia (Christa Berndl), an die er sich in seiner Not wendet, ihn zu trösten versucht. Obwohl Martin allmählich klar wird, dass seine Stummheit Resultat seiner Kindheit ist, weiß er nicht, wie er Susanne halten kann. Im entscheidenden Moment bleibt er, wie so oft, stumm.

C.C. Tietze, J.Schuler Foto: ©BR

C.C. Tietze, J.Schuler Foto: ©BR

Susanne reist ab, ebenso wie Jule, die unverhofft mit den beiden Töchtern (Teresa und Mirela Ragutin) aufgetaucht ist, um ihren Mann zurück zu gewinnen. Da findet Martin seine Mutter Anna schwerkrank. Die ganze Nacht lag sie hilflos in der Kälte und hat nun eine schwere Lungenentzündung.
Mit dem Hubschrauber wird sie in die Klinik ans Festland gebracht. Als Richard und Martin ihr mit dem Boot folgen wollen, bricht der schwelende Konflikt zwischen den beiden auf. Alles, was sich bis dahin aufgestaut hat, bricht nun aus Martin heraus und so verletzt er Richard zutiefst mit seinen Worten.
Wenige Stunden später ist Anna tot. Doch durch ihren Tod jedoch nähern die beiden Brüder sich wieder an. Als sie am Ende des Sommers gemeinsam den Sarg der Mutter auf die Fraueninsel rudern, haben sie sich längst wieder gefunden – und Martin endlich den Mut, Susanne wieder zu sich zurück zu holen.

„Tau-cherr! Fi-sche ein-hän-gennnn“… „Tau-cher auf-tau-chennnn“

Was so ein Taucher tatsächlich unter Wasser versteht, wenn man ihm Kommandos über Unterwassermikrofon zuschreit, ist mir ein Rätsel geblieben. Vielleicht rätselte unser Filmtaucher ebenfalls, denn es dauerte immer eine schiere Ewigkeit, bis der kugelrunde Zweizentnermann seine Arbeit unter Wasser verrichtet hatte und wie eine Boje auftauchte. Dort dümpelte er dann in den Wellen, bis der nächste Auftrag an ihn erging. Wieder und wieder mussten tote Fische ins Netz gehängt werden, die in der Strömung wabernden Schnüre fixiert und festgehalten werden, damit „unser“ Fischer Martin glaubwürdig sein Netz aus dem Wasser hieven konnte. Und glaubwürdig sollte ja schließlich alles wirken, auch wenn es ein Spielfilm ist und alles erfunden.
Obwohl – ein (großes) Quäntchen Wahrheit und Wirklichkeit ist für mich eines der wichtigsten Ingredienzien meiner Filme.

Unser Taucher

Unser Taucher

Was ich mir beim Drehbuchschreiben für die Titelsequenz ausgedacht hatte, war allerdings ohne großen technischen Aufwand gar nicht möglich.
Von der Bergkette des Alpenrands sollte die Kamera auf die Herreninsel fliegen, über Park und Schloss hinweg, die Fraueninsel erfassen, dann abdrehen und übers Wasser rauschen, bis in der Ferne ein Fischerboot auftaucht, in dem mein Protagonist Martin (Johann Schuler) gerade die Netze einholt. Genau vor dem Fischerboot sollte die Kamera ins Wasser tauchen, die Fische im Netz erfassen, mit dem Netz wieder hinaus und…
Das schreibt sich so leicht und man kann sich wunderbar vorstellen, wie es hernach im Film aussehen mag – von leichten Dreharbeiten konnte jedoch keine Rede sein.
Auf dem Wasser zu drehen ist nämlich alles andere als einfach, auch wenn es sich hierbei um ein relativ ungefährliches Gewässer handelt wie den Chiemsee. So brav und liebenswürdig kann er sich zeigen, und ebenso wild und ruppig erscheint er einem, wenn man sich in kleinen Fischerbooten, sprich Nussschalen auf ihm befindet und versucht, eine Szene in „den Kasten“ zu bekommen. Da rüttelt es und schüttelt es einen, der Horizont schwappt auf und ab und selbst der härteste Seemann muss ganz schön auspassen, dass es ihn nicht über Bord kippt.

Dreharbeiten auf dem Wasser Foto: ©BR

Dreharbeiten auf dem Wasser Foto: ©BR

Dazu kommt, dass so ein Boot sich ständig dreht und mit der Strömung schaukelt. Für den „Normalfall“ hatten wir eine (von Bühnenmann Rainer Sprunck ausgedachte) genialische Katamarankonstruktion. Da hielten stabile Biertische und Gerüststangen her und sorgten dafür, dass die Kamerahalterung einigermaßen stabil blieb. Für den schweren Neunmeterkran, der die Unterwasserkamera über das Wasser und dann hineinhieven sollte, musste eine feste Verankerung her.
Unsere ausrangierte Fähre, die wir als Wasserstützpunkt für Kamerabus und Team nutzen konnten, war als Basis immer noch zu wackelig. Bei bis zu achtzig Metern Tiefe festen Grund im See zu finden, eine Illusion. Da entdeckten wir die Arbeitsplattform „Berta“ von der Reederei Fessler (die uns auch den wunderbaren Schaufelraddampfer für die Dreharbeiten stellte). Diese konnte man mit Hilfe von vier Ankern unweit von Gstadt am sogenannten „Stein“ befestigen, zu dem es „nur“ drei, vier Meter hinunter sind. An diese kam dann unsere Arbeitsfähre, an die wiederum vier, fünf Boote anhingen. Etliche Stunden Vorbereitung vom ersten Tageslicht an bis in den frühen Vormittag waren nötig, bis der restliche Stab, Johann Schuler und ich hinzugebracht wurden.

Das sah aus wie die Plattform in Kevin Costners Film „Waterworld“, so mitten im See, der sich nicht gerade gnädig zeigen wollte und unsere Fischerboote zu Capriolen zwang.
Zwanzig, dreißig Mal mussten wir die Einstellung drehen, bis sie so passte, wie wir sie wollten. Kameramann Christian Reitz wachte streng über das Spezialteam, das extra aus München gekommen war. Jede Bewegung – die Kamera wurde über zwei unterschiedlich laufende Kurbeln bewegt – verfolgte er gespannt auf dem Monitor und auch ich hielt den Atem an, wenn das schwere Gehäuse ins Wasser platschte, um sprudelnd in die Tiefe des Sees zu sinken – wo, unser „Tau-cherr“ wartete, die nächsten Fische einhängen zu dürfen.
Das dauerte einige Stunden und wie durch ein Wunder hielt sich der dichte Wolkenbehang, der einen schmalen Lichtstreif über den Bergen hindurchschimmern ließ. Und so saß die Szene tatsächlich aus wie im frühen Morgen.
Dazu gehörte auch die Szene, als Benno das kaputte Boot mit Martin und Richard abschleppt. Um das Boot immer an der gleichen Stelle zu fixieren, musste unser Ausstattungshelfer sich am Schilfrand ins Wasser lassen und es festhalten. Der Bug ragte hinaus auf den See, während der Motorteil bis ans Schilf reichte. So weit so gut. Die einzelnen Einstellungen hatten wir im Kasten, nun sollte noch eine Totale aus der Entfernung gedreht werden. Benno sollte die beiden abschleppen und Martins Boot hintan hängen. Weil aber unser Fachberater und Chiemseefischer Josef Wörndl uns gesagt hatte, dass ein Boot immer rücklings abzuschleppen sei, befestigte „Martin“ das Tau hinten am Motor, so dass sich das Boot drehen würde, wenn Benno losfuhr…
Die Szene war wunderbar – nur hing, als das Boot sich drehte, plötzlich ein völlig verzweifelter Ausstattungshelfer an der Reling und krallte sich fest, mitten im Bild! Das Gelächter kann man sich unschwer vorstellen. Aber wo hätte er auch hinsollen? Abtauchen wie eine Duckente? Auf Kiemenatmung umschalten, wie Kevin Costner? Noch viele Episoden schwirren im Kopf, viele kleine Momente, die Seiten füllen würden, wollte man sie wirklich alle niederschreiben.
Es waren unvergessliche Dreharbeiten, auf diesem einmalig schönen See, der jeden Tag ein neues Gesicht hat, der einen anstrahlt oder anraunzt, wie ein Tier. Und vielleicht ist das der Grund, warum auch die Menschen am Chiemsee nie wirklich genug haben von „ihrem“ Meer.

 Steffi K., Dreharbeiten auf dem Wasser, Steffi K. mit Stefan Fricke (S.K.) und Thomas Gruber (Intendant) Fotos: ©BR

Steffi K., Dreharbeiten auf dem Wasser, Steffi K. mit Stefan Fricke (S.K.) und Thomas Gruber (Intendant) Fotos: ©BR